Parasiten bei Landschildkröten
Limitiertes Platzangebot sowie die Widerstandsfähigkeit mancher Stadien, aber auch Haltungsfehler, machen in menschlicher Obhut gehaltene Reptilien anfällig für sogenannte gastrointestinale Endoparasiten (umgangssprachlich „Innenparasiten“ oder „Darmparasiten“, z. B. Einzeller und Würmer). Zwangsläufig krankmachende (obligat pathogene) Parasiten (z. B. Spulwürmer, Oxyuriden, Hexamiten) sollten von fakultativ – also möglicherweise – krankmachenden Darmbewohnern (z. B. Darmflagellaten und -ziliaten, Amöben, Blastozystis) in regelmäßigen parasitologischen Untersuchungen abgegrenzt werden. Letztere kommen natürlicherweise im Gastrointestinaltrakt von herbivoren Landschildkröten, aber auch anderen Reptilienspezies, mit einem geringgradigen bis moderaten Befall vor (Kommensalen), führen jedoch unter bestimmten Bedingungen (limitiertes Platzangebot, Fehlernährung, Haltungsstress etc.) zu äußerlich sichtbaren Krankheitssymptomen, werden dann in erhöhter Anzahl ausgeschieden und spielen auch nur dann eine therapeutische Rolle.
Besonders häufige Parasiten bei Landschildkröten sind die sogenannten Oxyuriden (Pfriemenschwänze, Madenwürmer). Massive Oxyurideninfektionen führen beispielsweise zu klinischen Symptomen wie Fressunlust und wässriger Diarrhö, Gewichtsverlust und sogar perakutem („plötzlichem“) Versterben. Häufig sind diese Nematoden („Würmer“) bei sezierten Tieren zu finden, die während der Hibernation verstorben sind. Jungtiere (<5a) scheinen anfällig für Oxyuridose zu sein. So tritt dieses Krankheitsbild als Faktorenkrankheit (also eine Krankheit, die von äußeren und inneren Faktoren abhängig ist) häufig assoziiert mit Lebererkrankungen, Nierenerkrankungen und Panzerweiche auf. Deshalb sollte die Oxyuridose bei herbivoren Landschildkröten als wichtige Parasitose angesehen werden. Des Weiteren kommen diverse andere Endoparasitosen vor. Dementsprechend ist beispielsweise eine Infektion mit Askariden auf Grund der Körperwanderung (die oral aufgenommenen Wurmlarven wandern über den Darm zur Leber, entwickeln sich dort weiter und wandern dann wieder zurück zum Darm) für den Wirt als problematischer anzusehen als jene mit Oxyuriden. Auch die Vorkommenshäufigkeit (Prävalenz) für fakultativ pathogene Endoparasiten ist relativ hoch. Bei sezierten herbivoren Landschildkröten waren 77,6 % mit Innenparasiten infiziert, insgesamt sind 28,6 % der Tiere an Parasiten verstorben (Hallinger 2018).
Infektionen mit obligat bis fakultativ krankmachenden parasitären Spezies sind in einer parasitologischen Untersuchung („Kotuntersuchung“) vor dem Einbringen neuer Tiere in den Bestand oder einer/em neuen BesitzerIn als obligatorisch anzusehen. Ebenso sollte die parasitologische Untersuchung bei herbivoren Landschildkröten auf Grund der hohen Prävalenz (Vorkommenshäufigkeit) einmal vor und einmal nach der Winterruhe erfolgen. Hierzu bietet es sich an, die Tiere das erste Mal testen zu lassen, bevor sie beispielsweise ins Frühbeet gelangen (März, April) und bei positivem Befund behandeln zu lassen, um in den Sommermonaten den Infektionsdruck zu senken. Das zweite Mal sollten sie zur Vorbereitung auf die Hibernation (Winterruhe) getestet werden, also im August/September, gleiches gilt für Tiere im Terrarium (wobei Terrarienhaltung von herbivoren Landschildkröten mit einer gewissen Skepsis begegnet werden sollte). Nach erfolgter Therapie sollte der Therapieerfolg dringend kontrolliert werden, sodass nur parasitenfreie Landschildkröten in die Hibernation gehen.
Routinemäßige parasitologische Untersuchung (Kotproben)
Ein Parasitenbefall (Innenparasiten) kann anhand der Untersuchung des Kotes nachgewiesen werden. Diese Untersuchung umfasst bei allen Tieren den Nachweis der meisten Würmer und Einzeller (ausgenommen Kryptosporidien, siehe IFT). Routinemäßig sollte diese Untersuchung beispielsweise bei Landschildkröten bei Neuzugängen, während der Quarantäne sowie vor Vergesellschaftung (z. B. zur Paarung) durchgeführt werden. Achtung: Eine einmalige parasitologische Untersuchung kann nicht mit Sicherheit das Bestehen einer Parasitose ausschließen, da viele Parasiten intermittierend (unregelmäßig) ausgeschieden werden. Daher sollte nach Möglichkeit eine Sammelprobe eingeschickt oder mehrere Einzelproben untersucht werden. Auch augenscheinlich gesunde Tiere können Parasiten in sich tragen, sodass regelmäßige Untersuchungen sinnvoll sind.
Eine der häufigsten Fragen, die uns gestellt werden, ist, welche parasitären Stadien bei der routinemäßigen Untersuchung erkannt werden: Nachweisbar sind bei Landschildkröten u. a. Pfriemenschwänze (Oxyuriden), Spulwürmer (Askariden) und Einzeller (Blastozystis, Balantidium, Hexamiten u.v.m.). Je nach Parasitenart und Befallisntensität sind unterschiedliche Medikamente anzuwenden; obligat pathogene (krankmachende) Parasiten müssen bei der Untersuchung von fakultativ pathogenen Darmbewohnern und Kommensalen unterschieden werden. Nicht jeder Nachweis eines Darmbewohners ist also behandlungsrelevant und sollte im Einzelfall mit dem behandelnden Tierarzt/der behandelnden Tierärztin abgesprochen werden.
Zu beachten ist jedoch, dass die Untersuchung einer Kotprobe auch nicht den Besuch beim Tierarzt/bei der Tierärztin ersetzen kann. Mit einem Laborbefund und dem damit verbundenen Behandlungsvorschlag kann Ihr Tierarzt oder Ihre Tierärztin jedoch entscheiden, ob das Tier eine Entwurmung oder Parasitenbehandlung benötigt und welches Medikament für eine gezielte Behandlung am besten geeignet ist.
Was sollte man bei Kotproben beachten?
Die Proben müssen möglichst frei sein von Beimengungen wie Bodensubstrat, Urat (der kristalline Anteil des Urins bei Reptilien, weist eine weiße bis gelbliche Farbe und pastöse bis krümelige Konsistenz auf), Zellstoff, Watte und Ähnlichem, da diese Beimengungen die Untersuchungen erschweren oder gar verfälschen können. Die Probe sollte so frisch wie möglich zur Untersuchung gelangen. Um ein Austrocknen der Probe zu verhindern, empfiehlt es sich, wenige Tropfen Leitungswasser zuzufügen.
Was ist ein Immunfluoreszenztest (IFT)?
Für den Nachweis von Kryptosporidien ist dieses Verfahren besonders geeignet. Bei Reptilien kommt diese Parasitose relativ häufig bei Leopardgeckos und Schlangen vor, aber auch bei Landschildkröten liegen Berichte vor, dass diese teilweise dramatisch erkranken können.
Der IFT funktioniert folgendermaßen: Ein markierter Antikörper bindet spezifisch (Schlüssel-Schloss-Prinzip) an das gesuchte Antigen (z. B. Kryptosporidien-Oozysten, Giardien-Zysten usw.). Nach einer Inkubationszeit werden die Antikörper abgewaschen und bei positivem Befund leuchtet die Markierung des gebundenen Antikörpers unter dem Fluoreszenzmikroskop auf. Der Vorteil gegenüber anderen Methoden liegt in der Möglichkeit begründet auch die Morphologie (also die Beschaffenheit) des potenziellen Antigens beurteilen zu können. Dieses Verfahren hat eine sehr hohe Sensitivität (Fähigkeit zum Erregernachweis) und Spezifität (reagiert nur auf die nachzuweisenden Parasitenarten).
Krankheitsrisiken durch Parasiten, aber welche?
Oxyurideninfektionen sollen teilweise gut vom Wirt toleriert werden. Infizierte juvenile Schildkröten zeigen eine bessere Verträglichkeit und Gewichtszunahme im Vergleich mit nichtinfizierten Tieren, außerdem scheinen Oxyuriden die bakterielle Darmflora zu regulieren. Massive Oxyurideninfektionen führen jedoch zu klinischen Symptomen wie Anorexie und wässriger Diarrhö, Gewichtsverlust und sogar perakutem Versterben. Jungtiere (<5a) scheinen anfällig für Oxyuridose (die klinische Ausprägung des Parasitenbefalls) zu sein. So tritt dieses Krankheitsbild als Faktorenkrankheit häufig assoziiert mit Lebererkrankungen, Nierenerkrankungen und MBD (Metabolic bone disease, „Panzerweiche“) auf. Weiterhin sollte Oxyuridose bei herbivoren Landschildkröten als wichtige Parasitose unter inadäquaten Haltungsbedingungen angesehen werden. Zu beachten ist auch, dass ein nachgewiesener Oxyuridenbefall aus Sicht des Autors immer als behandlungswürdig betrachtet werden sollte. Unterbleibt eine antihelmintische Therapie („Entwurmung“), so vermehren sich die Parasiten ungehindert, es kommt zu ständigen Reinfektionen auf Grund der niedrigen Präpatenz (Zeitdauer von der Aufnahme der infektiösen Parasiten-Stadien bis zum Auftreten von ersten Geschlechtsprodukten im Stuhl) von 30–40 Tagen und ein Massenbefall kann die Folge sein.
Des Weiteren kommen andere Endoparasitosen vor. So ist beispielsweise eine Infektion mit Askariden (Spulwürmer, Anguisticaecum holopterum) auf Grund der Körperwanderung für den Wirt als problematischer anzusehen als jene mit Oxyuriden, jedoch ist die Prävalenz (Vorkommenshäufigkeit) für Askariden glücklicherweise bei Landschildkröten relativ klein. Im Gegensatz dazu sind Prävalenzen für fakultativ pathogene Endoparasiten relativ hoch und in unseren Untersuchungen konnten folgende Vorkommenshäufigkeiten diagnostiziert werden: Flagellaten (21,68 %), Nyctotherus sp. (7,27 %), Balantidien (6,29 %) sowie Blastozystis sp. (6,29 %).
Fazit: Parasiten bei Landschildkröten
Auf Grund von häufigen Infektionen mit obligat bis fakultativ pathogenen parasitären Spezies bei herbivoren Landschildkröten ist eine parasitologische Untersuchung vor dem Einbringen neuer Tiere in den Bestand oder bei Abgabe an eine/n neue/n BesitzerIn als obligatorisch anzusehen. Ebenso sollte die parasitologische Untersuchung bei herbivoren Landschildkröten auf Grund der hohen Prävalenz (Vorkommenshäufigkeit) vor und nach der Winterruhe (Hibernation) als obligat angesehen werden.